Aquatinta und Radierung auf Vélin de Rives, mit Bleistift signiert und nummeriert, (8. November) 1963. 31,8 : 41,7 cm auf 45,2 : 55,4 cm. Bloch 1123. Baer 1117, IIIe état, B b 1. Abzug des endgültigen Zustandes für die Galerie Louise Leiris nach der Verstählung der Platte 1966-1967. Eins von 50 Exemplaren (dazu 15 Künstlerexemplare); gedruckt von den Brüdern Crommelynck. Von vorzüglicher Erhaltung.
Provenienz: Privatbesitz Münster.
Die Darstellung von Maler und Modell zieht sich leitmotivisch durch Picassos Werk. 1963 entstand eine Serie großformatiger Gemälde des "Peintre et son modèle", denen entsprechende Zeichnungen und Graphiken vorausgingen und folgten. Wir blicken hier ins Atelier des Malers, der vor der Staffelei sitzt und den Kopf eines jungen Mannes malt, während hinter ihm, möglicherweise durch einen Vorhang von ihm getrennt, eine nackte Frau mit den Gesichtszügen Jacquelines sitzt. Erst bei näherem Hinschauen erkennt man - vom linken Bildrand abgeschnitten - das Profil des Porträtierten, der in Nähe zum Betrachter steht, scheinbar geistesabwesend geradeaus blickt, während Künstler und Modell ihn und damit auch uns anschauen.
Das Jahr 1963 ist gekennzeichnend von einer erneuten Hinwendung zur Radierung. Virtuos kombiniert Picasso die verschiedenen Bearbeitungsmöglichkeiten und erzielt völlig neue Wirkungen. In Piero Crommelynck (1934-2001) fand er einen sehr erfahrenen Drucker, der seine einzigartigen Ideen meisterhaft umsetzen konnte. Piero war gemeinsam mit seinem Bruder Aldo erst im Frühjahr 1963 von Paris an die Côte d'Azur nach Mougins gezogen und begleitete fortan das Radierwerk des Künstlers, das mit hunderten von Blättern einen fulminanten Schlußakkord im Œuvre Picassos darstellt. So nimmt es nicht Wunder, dass dieser den zum Freund gewordenen Drucker an die achtzig Mal porträtierte (da er Picassos Vater so geähnelt habe) und auch in vorliegender Graphik wird es sich um das Konterfei Pieros handeln, wie man an der markanten Nase sieht (den Kinnbart trug er erst ab 1966). Demzufolge hätten wir es hier mit einem Gruppenporträt zu tun, das den Künstlers sowie zwei der seinerzeit wichtigsten oder wenigstens unentbehrlichsten Menschen in seinem Leben zeigt. David Douglas Duncan schrieb: "Sie lebten in einer Welt, die er selbst geschaffen hatte, wo er fast als König herrschte, aber nur zwei Schätze bewahrte: die Freiheit zu arbeiten und die Liebe zu Jacqueline".